Das erste Mal V

Persönlicher Bericht über die Erfahrung, einen Rennwagen über eine Rennstrecke zu bewegen

Wer mich mehr als nur flüchtig kennt, der weiss auch von meinem unbezähmbaren Drang, Dinge, die mich faszinieren, selbst erleben zu wollen. Obwohl mir ab und an von so manchem nachgesagt wird, ich miede schweres arbeiten, so vermag ich doch zu überraschen, wenn ich die Möglichkeit wittere, eine aussergewöhnliche Sache mit allen Sinnen selbst zu erfahren.
Um das Abenteuer 'Racing' zu verwirklichen, war es nötig, dass sich die richtigen Menschen zum richtigen Zeitpunkt finden, und gleichzeitig ausreichend Ressourcen an Geld, Zeit und emotionaler Energie zur Verfügung stehen. Für alle, die, wie ich, immer schon davon träumten, Autorennen zu fahren, denen es aber (noch) an dem einen oder anderen fehlt, schreibe ich diesen Bericht.
Augsburg, Montag, den 10.09.2001
Ich bekomme von meinem Freund Günther Pedal (Gewinner der historischen deutschen FV-Meisterschaft 2000), der sich im Club für mich stark gemacht hat, die Zusage für meine Teilnahme am 30-Jahre-Jubiläumslauf am Hockenheimring, der nächstes Wochenende stattfindet. Dort könne ich noch ohne aktuellen FIA-Wagenpaß und Lizenz starten.
An meinem Wagen fehlen lediglich noch ein paar "Kleinigkeiten" wie Kühlung, Feuerlöschanlage, Gurte, Ölkreislauf, Kupplungsbetätigung usw... ach ja, und der Motor.
Günther Pedal

Hockenheim, Freitag, den 13.09.2001

Ich erspare euch die genaue Beschreibung der vergangenen Tage; 12- 15 Stunden Formel V- schrauben täglich brachten mich in einen wechselnden Rhythmus aus Euphorie und Verzweiflung, je nach Tagesform, -Zeit oder Konsumation diverser Kaltgetränke. In diesen Tagen kam es auch zur Bildung meines Teams: Meine Freunde Florian und Tilman wurden ebenso wie ich vom Rennfieber gepackt und taten ihr möglichstes, um meinen Start zu ermöglichen. Ihr unbeschreiblicher Einsatz bewahrte mich mehr als einmal davor, die ganze Sache hinzuschmeissen und aufzugeben. Das bestmögliche Ergebnis beinhaltete leider noch nicht die Trockensumpfschmieranlage, und statt des eigentlichen Rennmotors habe ich den frisierten 1300er Strassen-Käfermotor aus Simones Winterbug verbauen müssen, weil Spezialteile für die Rennzylinderköpfe z. Zt. Lieferrückstand hatten. Als Bereifung standen ein Satz Rennslicks sowie ein Satz Good Year Allwetter Strassen(!)reifen zu Verfügung, letztere ebenfalls vom Winterkäfer gespendet. Zwei kurze Testfahrten am (regnerischen) Donnerstag auf öffentlicher Strasse (wo sonst?) gaben uns einen kleinen Vorgeschmack auf die "ausserordentliche" Performance des Wagens: durchdrehende Räder in jedem Gang, bei jeder Drehzahl. Ich hoffte jedoch auf trockene Fahrbahn am Renntag, denn von den neuwertigen Slicks versprach ich mir eine um Welten bessere Haftung.
Freitag Spätnachmittag starteten wir absolut termin- und stilgerecht mit meinem 1975er VW Bulli und dem 1975er Rennauto auf dem Hänger gen Hockenheim, wo wir am Abend erschöpft, aber zufrieden ankamen und noch einige bayerische kulinarische Schmankerln einwarfen.

75er Bulli mit 75er Rennauto

Hockenheim, Samstag, den 14.09.2001

Nun war ich schon recht häufig auf diversen Rennsportveranstaltungen, aber dass man mit einem geheimen Codewort Einlass in das heiligste der Rennstrecke, das Fahrerlager, erhält, war mir neu. Es war mir im Vorfeld von offizieller Stelle zugefaxt worden. Wir setzten also unseren Tross in Bewegung, nachdem sich Sesam mit dem Sprechen der Formel wie durch ein Wunder geöffnet hatte. (wer jetzt daran denkt, mich nach dem Wortlaut der Parole zu fragen - vergesst es. Keine Chance...)
Weil der Termin, die anderen Teilnehmer des FV-Laufes zu treffen, erst am Spätnachmittag war, genossen wir bei Sonnenschein

und mitgebrachter gegrillter sowie gekühlter Verköstigung die vielen verschiedenen Rennen der Veranstaltung. Wir verliebten uns an diesem Tag abwechselnd in Rennfahreramazone Katja Poensgen, die zugegen war, in die Fahrkünste von Altmeister Jonny Cecotto oder einfach in die gelbe Sau, die immerzu vom Himmel auf uns herunterstrahlte. Das Treffen mit Günther und den anderen Rennfahrern führte zu grossem hallo und ergab für uns die Möglichkeit, jeden kennen zu lernen. Der anschliessende Einzug an unsere Standplätze gestaltete sich mühsam, weil andere Teams lieber ihre Siege oder Niederlagen feiern wollten, als den Platz für uns zu räumen. Was blieb anderes übrig, als sich irgendwie einzustallieren und im Laufe der kurzen Nacht den Rest der Vorräte zu vernichten; knisternde Fahrerlagerromantik am Kastanienfeuer...
Katja Poensgen

Hockenheim, Sonntag, den 15.09.2001: DER Tag.

Ich stehe in aller Hergottsfrüh auf, vor Aufregung wohl, oder um Katja noch einmal auf dem Weg zur Dusche überraschen zu können? Nein, in einem Fahrerlager erklingen zu den unmöglichsten Zeiten Weckrufe, denen man nur schlecht widerstehen kann: Es sind die Motoren der verschiedensten Rennwägen, die mit heftigen Gasstößen warm gemacht werden. Es regnet, ist sehr kalt und beim Anblick meines offenen Einsitzers fröstelt es mich ein wenig. Nach reiflicher Überlegung entschließe ich mich dazu, Ihn vom Transporter abzuladen und die letzten Wartungsarbeiten an Zündung und Ventilen durchzuführen, die ich Zuhause nicht mehr geschafft habe, die Batterie nachzuladen und zu Tanken.
Gerade, als ich die Karosserie entfernt hatte, kommt das Kommando: "Alle Autos in das Showzelt der V8-Star Serie bringen!". Und schon laden die Männer ihre Boliden aus ihren trockenen, weil geschlossenen Anhängern und brausen mit donnernden Motoren zum Treffpunkt. "In einer halben Stunde am Vorstart melden, wer nicht kommt, fährt auch nicht!", ruft mir einer zu, doch ich bleibe gelassen, denn die Arbeiten, die ich vorhabe, dauern in der Regel nicht länger als 5 Minuten. Tja, in der Regel, heißt es, doch beim Formelwagen ist dann doch um einiges beengter und schwieriger und so schaffe ich es erst nach 20 Minuten, den Motor zu starten und in der Monteurklamotte zum Showzelt zu kommen.

Dort angekommen und sauber aufgestellt, bitte ich Tilman, den Reifendruck (der montierten Strassenreifen) nocheinmal zu kontrollieren und eile dann zu Fuß zurück in den Camper, um den Rennanzug samt feuerfester Unterwäsche anzulegen. Der ständige Blick auf die TAG Heuer drängt mich zur Eile, doch, mittlerweile durchnässt bis auf die Haut, ist das An- und Ausziehen beschwerlicher als vermutet. Ich beginne gerade massiv zu schwitzen, als Flo völlig ausser Atem gerannt kommt und berichtet, ein Reifen sei völlig luftleer, man müsse dringend auffüllen, Tilly sei vorausgerannt zur Renntankstelle am anderen Ende des Fahrerlagers, er treffe mich dort!
5 Minuten zum Vorstart! So rannte ich denn sofort los in Richtung Showzelt, den Anzug noch auf halbmast, Schnürsenkel offen, mittlerweile in starker Erregung. Dort hatte sich eine grosse Menschenmenge um die Fahrzeuge versammelt, ich musste sie rasch zur Seite drängen. Dann geschah etwas Unerwartetes: Ich konnte nicht mehr in das Auto einsteigen!
Hier geht die Geschichte weiter!